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Ankündigung

Inhaltlich arbeiten an dieser Tagung Michael Bohne, Matthias Ohler, Gunther Schmidt und Bernhard Trenkle zusammen. Aus diesem Grund sind hier vier Briefe. Jeder aus dem Programmteam beleuchtet den Kongress aus seinem ganz persönlichen Blickwinkel.

Sie dürfen gespannt sein. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Brief von Dr. Michael Bohne, PEP-Institut

Reden reicht nicht!?, die Fünfte. Whow!

Unsere Tagung „Reden reicht nicht!?“ hat sich mittlerweile zu einer festen Institution entwickelt. Ich freue mich sehr, dass die initiale Idee aus dem Jahre 2012, einen Kongress zu den Grenzen des Redens und zu den Potenzialen der „Bottom-up-Ansätze“ zu veranstalten, nun in die fünfte Runde geht. Der große Erfolg unserer Tagung liegt vermutlich auch daran, dass hier vier Initiatoren mit unterschiedlichen und sich gegenseitig bereichernden Perspektiven und Hintergründen zusammenkommen. 

Alle bisherigen Tagungen waren große Erfolge, und die letzte Tagung von 2022 war vielleicht sogar die bislang beste. Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Tagungsreihe nicht in Routine versinkt, sondern nochmal und immer wieder ganz neu rockt.

PEP spielt auf der Tagung ja eine gewisse Rolle, es ist aber keine ausschließliche PEP-Tagung. Dennoch waren bei den bisherigen Tagungen viele PEPologInnen anwesend, sowohl als TeilnehmerInnen als auch als ReferentInnen in Workshops oder als Hauptvortragende.

So wird auch auf der 5. Tagung Dipl.-Psych. Anke Nottelmann einen Hauptvortrag (und einen Workshop) zu ihrer faszinierenden Arbeit mit PEP bei komplexen Traumafolgen halten. Ich freue mich auch, dass Prof. Thomas Bauer meine Einladung angenommen hat und in einem Hauptvortrag über Ambiguitätstoleranz sprechen wird. Er ist der Autor des Buches „Die Vereindeutigung der Welt: Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt“ – vermutlich eines der wichtigsten Bücher unserer Zeit. Darüber hinaus haben Klaus Eidenschink und Dr. phil. Dr. scient. med. Damir del Monte zugesagt, zwei sehr spannende Referenten.

Die beeindruckenden Beobachtungen bei der Anwendung von PEP bei Depressionen – in den Praxen, in den Depressionsspezialkursen und andernorts – haben dazu geführt, dass wir gerade eine sehr spannende Studie mit PEP bei Depressionen planen und durchführen (wir werden auf der Tagung über die ersten Ergebnisse berichten :-) ). 

Wir haben hier an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) die drei weltweit ersten fMRT-Wirksamkeitsstudien zum Klopfen und zu PEP durchgeführt. Die Ergebnisse sind mittlerweile hochkarätig in zwei Neuro-Journals als Open Access Publishing veröffentlicht, man kann sie also herunterladen und durchlesen.

“Emotion regulation through bifocal processing of fear inducing and disgust inducing stimuli”, war die erste fMRT-Klopfstudie weltweit. Sie ist bei BMC Neuroscience, einem peer-reviewed Journal als Open Access Publishing mit einem Impact-Faktor von 3.288, also ziemlich gut, veröffentlicht (https://bmcneurosci.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12868-020-00597-x).

Eine weitere Veröffentlichung im Journal NeuroImageClinical hat einen sehr guten Impact-Faktor von 4.881, und die Arbeit ist nun in drei Datenbanken registriert, so dass sie weltweit gefunden, gelesen und zitiert werden kann (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2213158222000614).

Die Ergebnisse dieser beiden Studien sind vielversprechend, überraschend und weisen auf ganz neue Erkenntnisse zur Verarbeitungsweise von belastenden Emotionen hin (auch hierzu mehr auf der Tagung).

Ich freue mich sehr auf die fünfte „Reden-reicht-nicht!?“-Tagung. Wir hoffen wieder auf ein Gesamtkunstwerk, zu dem wie Euch/Sie jedoch unbedingt brauchen. Ohne Euch/Sie ist alles nichts!

Euer/Ihr

Michael Bohne

Brief Matthias Ohler, Carl-Auer Akademie

„In der Dynamik wirkt die Kraft der Ruhe – und umgekehrt.“ (Otty Baume)

Reden reicht nicht!? 5. Akt

1.–4. Mai 2025, Würzburg; Vorkongress 30. April 2025

Ohnmacht und/oder Selbstwirksamkeit

Ohnmachtsgefühle und Wirksamkeitszweifel sind nichts Neues, doch heute sind sie für viele Menschen so deutlich und intensiv wahrzunehmen wie lange nicht. Konkret erfahren Klient:innen genauso wie professionelle Helfer:innen das: kriegerische Stimmung und schockierende Nachrichten; bedrohliche Unwetter und unberechenbare Naturgewalten; verschwörungsverwirrte Angehörige, Bekannte, Kolleg:innen oder Freund:innen; gewaltige gesellschaftspolitische Pläne, die für kaum mehr denkbar, geschweige denn umsetzbar galten; Debatten darüber, wie wir reden sollten oder dürfen, was das mit uns macht und zukünftig machen könnte; Stress in und mit Organisationen, Institutionen, untereinander; enorme Bewegungen in Köpfen, Herzen und Straßen.

Darf man die Ankündigung einer so innovativen wie wirksamen Tagungsreihe wie Reden reicht nicht!? mit einem Befund beginnen, der „miese Stimmung“ verbreiten könnte? – Ich denke sogar, man muss! Denn vieles von dem, was bei den vier intensiven und erfolgreichen Kongressen seit 2014 in unverwechselbarer Atmosphäre vorgetragen, angeboten, gelernt und teils kontrovers diskutiert wurde, dient genau dem: Ohnmacht zu erkennen, sie zu verstehen und ihr abzuhelfen; Selbstwirksamkeit zu entdecken, sie zu entwickeln und zu verstetigen.

Welche Kontexte haben wir dabei zu berücksichtigen? Sind unsere Problemlagen, Krisen und Sorgen bzw. deren Erleben top-down oder bottom-up organisiert ? Was haben wir als Therapeut:innen, Berater:innen, Coachs,  Organisationsberater:innen, Philosoph:innen u. a. zu bieten? Brauchen wir noch breiter und zugleich tiefer angelegte Perspektiven, wenn wir die aktuellen Herausforderungen bewältigen wollen? Was brauchen wir konzeptionell, methodisch, organisatorisch, gesellschaftlich? Wem oder was glauben und vertrauen wir? Was wollen wir dabei wissen? Und wie bringen wir das alles in sinnvolles Tun? An welche Grenzen stoßen wir? – Grenzen sind Berührungsflächen, da kann man doch „was machen“! Aber was? Wenn „systemisch“ Bedeutung hat, dann hier.

Vom Beginn im Jahr 2014 an ist der Kongress Reden reicht nicht!? gedacht als Forum für Professionelle aus Therapie, Beratung und Coaching, die

  • Herausforderungen an ihre Klient:innen und sich selbst ernst nehmen und annehmen,
  • der Mut zum Neuen und Ungewohnten eint,
  • bereit sind, gegenseitige Beobachtung, wissenschaftliche Forschung und Kritik zuzulassen und zu entfalten.

Das hat sich mehr als bewährt. Machen wir weiter! Es gilt nach wie vor das Motto der Carl-Auer Akademie: unwahrscheinliche Kommunikation wahrscheinlicher machen und bislang eher vermiedene Begegnungen möglich und fruchtbar werden lassen!

Die Carl-Auer Akademie freut sich, dass Michael Bohne, Gunther Schmidt und Bernhard Trenkle gemeinsam mit uns bereit und motiviert sind, die Dramaturgie von Reden reicht nicht!? erneut weiterzuschreiben und über unsere Netzwerke wieder unterschiedlichste und hoch innovative Beiträge zueinanderzubringen. Wir sind sicher: Es wird wieder viel Unerwartetes und Neues auftreten – so viel ist zu erwarten.

Es gibt viel zu tun, gehen wir es an! Seien Sie dabei im Mai!

In großer Vorfreude auf Reden reicht nicht!? grüßt Sie

Matthias Ohler (Leitung Carl-Auer Akademie)

Brief von Dr. Gunther Schmidt, Milton-Erickson-Institut Heidelberg

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vielleicht fragen sich manche von Ihnen, weshalb wir vom 1.5. bis 4.5.2025 nun schon zum fünften Mal den Kongress „Reden reicht nicht!?“ organisieren, dieses Mal in Würzburg.

Nun: Wie oft gibt es Situationen, wir kennen sie sicher alle, in denen jemand zu anderen Menschen sagt (gerade zu solchen, die einem sehr wichtig sind): „Lass uns miteinander reden! Wir müssen reden!“ Damit verbunden ist üblicherweise die Hoffnung, dass man durch Reden wichtige Anliegen, unterschiedliche Positionen usw. konstruktiv gestalten kann. Und ganz sicher ist der Lösungsversuch „Reden“ nicht nur ein „redlicher“, sondern meist ein ganz wichtiger und notwendiger Schritt. Leider ist er aber oft genug nicht hinreichend. Diese Erfahrung machen wir immer wieder, wenn wir mit präzisen kognitiven Strategien eigene Probleme, Symptome usw. lösen wollen und mit unseren kognitiven, bewusst-willentlichen Anstrengungen frustriert scheitern. In unserer Arbeit als TherapeutInnen oder BeraterInnen geht es uns nicht selten genauso, wenn wir uns auf diese Zugänge beschränken – auch wenn diese sehr wertvoll sind und unbedingt weiter genutzt werden sollten, allerdings erweitert und bereichert. Übrigens gehen ja auch alle Kommunikationstheorien davon aus, dass die Wirkung von Kommunikation nur zu geschätzt 30 Prozent vom Inhalt bestimmt wird und den Rest eben von anderen, nonverbalen Faktoren.

Genau deshalb organisieren wir vom 1.5. bis 4.5.2025 nun schon zum fünften Mal den Kongress „Reden reicht nicht“.
Die bisherigen vier Kongresse mit diesem Themenschwerpunkt waren ja sehr erfolgreich. Das freut uns natürlich sehr und hat uns in der Annahme bestätigt, dass eine große Zahl von Kolleginnen und Kollegen den Kongress als Chance genutzt hat, das eigene Repertoire wirksam zu erweitern.


Unser Programm berücksichtigt auch dieses Mal neben wichtigen Entwicklungen im Bereich der Psychotherapie und Beratung den aktuellsten Stand der Hirnforschung, der Embodiment-Forschung, der Priming-Forschung und aller sonst relevanten Gebiete, die verstehbar und nutzbar machen, wie über das Bewusste hinaus unwillkürliche Prozesse unser Leben und Erleben beeinflussen.

Mit den hypnosystemischen Konzepten, die ich vor nun mehr als 40 Jahren begründet habe, für die ich mich seitdem intensiv einsetze und die konsequent auch auf den Ergebnissen aus den genannten Forschungsbereichen aufbauen, kann man systematisch verstehbar machen, weshalb es so zentral ist, sich mit der Dynamik der Erzeugung unwillkürlichen Erlebens zu beschäftigen. Denn mit diesen Konzepten wird deutlich, dass Unwillkürliches grundsätzlich (als Ergebnis der Evolutionsdynamik) zunächst immer schneller und stärker wirkt als alles Willentliche.

Auf den ersten Blick könnte es resignativ machen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der bewusste Wille zunächst immer langsamer und schwächer wirkt als Unwillkürliches, besonders dann, wenn es sich um ungewünschtes, leidvolles unwillkürliches Erleben handelt. Hypnosystemische Konzepte zeigen aber ebenso plausibel, dass man auch Unwillkürliches sehr wohl mit willentlichen, kognitiv gut geplanten Strategien und mit allen Sinnen gezielt in gewünschter Richtung beeinflussen kann. Dafür stehen in diesem Konzept ausführliche Netzwerk-Modelle zur Verfügung, mit denen man systematisch, logisch konsistent und detailliert dreierlei präzise erfassen und beschreiben kann:
1.) wie das jeweilige Erleben in unwillkürlicher, zunächst meist unbewusster autonomer Selbstorganisation erzeugt wird;
2.) wie sich daraus gezielt Planungshypothesen ableiten lassen, auf welchen (Sinnes-)Ebenen man hilfreiche Unterschiede anbieten kann, um z. B. ungewünschte Netzwerke eines Problem-Erlebens wirksam zu unterbrechen, deren leidvolle dominierende Kraft deutlich zu reduzieren und sie gleichzeitig zieldienlich in gewünschtes Erleben zu transformieren (auch für sich selbst, was gerade TherapeutInnen und BeraterInnen besonders gut gebrauchen können); und
3.) wie man die bisherigen Problem-Prozesse erfolgreich zur Stärkung des Lösungs-Erlebens
nutzen kann (Stichwort: Utilisation).


Hypnosystemische Konzepte können – zusätzlich zu ihrem großen praktischen Nutzen – auch als Meta-Modell verwendet werden, mit dem man logisch genau erklären kann, auf welche verschiedenen Arten sich das zentrale Ziel erreichen lässt, Unwillkürliches in gewünschter Richtung zu aktivieren und die optimale Kooperation von Willentlichem und Unwillkürlichem (dem Kontext angemessen) zu erzeugen. Sie erklären auch den jeweils besonderen, quasi spezialisierten, großen Wert von bifokal-multisensorischen Ansätzen wie EMDR, EMI, PEP, SE, Bercelli Trauma Releasing, Havening oder von Modellen wie Körper-Musik, von Kunst- und Musik-Therapie, Körpertherapie generell u. v. a. Alle diese Konzepte fokussieren gezielt auf nonverbale Zugänge und bilden dabei jeweils einzelne Schwerpunkte ab.

So betrachtet kann man auch besser verstehen, dass all diese Prozesse nicht begrenzt werden können (und auch nicht begrenzt werden sollten) auf die Bereiche Psychotherapie, Beratung, Team- und Organisationsentwicklung. Sie haben auch eminent politische Implikationen. So zeigt z. B. die Priming-Forschung, dass bei Menschen, die sich an rechtsradikalen Positionen orientieren, offenbar eine unbewusste massive Angstdynamik die Neigung zu solchen Orientierungen deutlich verstärkt (Bargh, John: „Vor dem Denken-Wie das Unbewusste uns steuert, Droemer 2022). Das stellt uns aktuell vor viele komplexe und nicht einfach zu beantwortende Fragen; es zeigt aber gleichzeitig auch, dass wir alle in intensiver Verantwortung stehen, uns aktiv für demokratisches Miteinander zu engagieren, auch im öffentlichen Raum.

Für alle diese Fragestellungen und Aufgaben, sowohl in unseren direkten Berufsfeldern als auch darüber hinaus, organisieren wir unseren 5. Kongress „Reden reicht nicht!?“. Wieder wollen wir damit und unbedingt zusammen mit Ihnen die einzelnen Schwerpunkte des großen Puzzles aus verschiedenen Konzeptzugängen zu einem kraftvoll wirksamen Gesamtbild zusammenführen. Gemeinsam wollen wir so anderen Menschen und auch uns selbst helfen, in der enormen Komplexität der modernen Beschleunigungsgesellschaft mit all ihren Krisen Handlungsmöglichkeiten flexibel und kreativ zu erweitern.

Bei der Programmplanung legen wir deshalb großen Wert darauf, die verschiedenen Teilgebiete differenziert einzubeziehen. Ich bin sicher, dass für Sie auch bei sehr unterschiedlichen Interessen viel Interessantes und vor allem auch Nützliches dabei sein wird.


Deshalb lade ich Sie herzlich ein, auch diesen Kongress zusammen zu einem Mut machenden und unsere Kompetenzen stärkenden gemeinsamen, tollen Ereignis zu machen. Ich bin sicher, dass uns das auch dieses Mal wieder sehr gut gelingen wird. Also, bis dann in Würzburg auf unserem Kongress „Reden reicht nicht!?“!


Herzliche Grüße Dr. Gunther Schmidt

Brief von Bernhard Trenkle, Milton-Erickson-Institut Rottweil

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

bei den interessanten Zoom-Konferenzen mit Gunther Schmidt, Michael Bohne und Matthias Ohler zur Vorbereitung unserer Tagung haben wir auch immer wieder über die politische Situation, das politische Klima und den gesamtgesellschaftlichen Kontext unserer Tagung gesprochen.

Wir diskutierten, ob wir immer intelligent genug kommunizieren, um unsere Ziele zu erreichen. Die Süddeutsche Zeitung konfrontiert Hubert Aiwanger im bayrischen Wahlkampf mit einem Phamphlet aus der Schulzeit, und das Resultat ist, dass Aiwanger gestärkt aus der Wahl hervorgeht. Die AfD wird stärker und stärker, und in den USA kämpft Donald Trump für seine Wiederwahl. Heute schreibt die NZZ, dass Deutschland dem Hauptideologen der sog. Remigration ein Einreiseverbot angekündigt hat. Der demonstrierte gerade in einer Live-Internet-Aktion, dass er einreisen kann, macht sich über den Staat lustig – und nutzt das Ganze für eine Werbeaktion für sein neues Buch. Am Tag darauf steht das noch nicht publizierte Werk bei Amazon auf Platz 7 aller Bücher und auf Platz 1 der Politik-Sparte. Und nochmal einen Tag später ist es auf Platz 1 aller Bücher, mit Button-Bestseller. Ich sitze hier gerade mit dem Bestsellerautor Manfred Lütz zusammen, der auch schon Referent bei unserer Tagung war. Er meinte nur trocken, er werde vor der Publikation seines nächsten Buches auch ein Einreiseverbot beantragen. Selbst wenn man vermuten kann, dass der Verlag und das umgebende rechte Netzwerk das Buch durch eigene Käufe noch zusätzlich gepushed hat, funktioniert die Marketing- und Framing-Strategie offensichtlich gut.

Irgendwie wünscht man sich, dass unsere Regierenden und wir alle strategischer und handwerklich gekonnter kommunizieren und handeln. So wie jener Farmer aus einem südafrikanischen Witzbuch:

Immer weniger Regen. Klimawandel. Die landwirtschaftlichen Flächen verdorren, die Ernteerträge schrumpfen. Der Farmer baut einen Damm, um etwas Wasser zu sammeln. Schließlich kommt er auf die Idee, den kleinen See auch gelegentlich zu Campingzwecken an Touristen zu vermieten. Es gibt immer wieder Schwarzcamper, die nicht bezahlen. Er erwischt drei junge Frauen, die unangemeldet dort campen. Als er sich auf dem Traktor nähert, flüchten sie in den See. Nach und nach gehen sie immer tiefer ins Wasser und rufen: „Wir gehen erst raus, wenn du wieder weg bist!“ Er ruft zurück: „Ich will euch nicht stören, ich will nur das Krokodil füttern.“

Können wir alle daraus lernen, wie man politische Ziele erreichen kann?

Mich fasziniert immer wieder der kolumbianische Philosoph Nicolas Gomez Davila mit seinen Aphorismen. Zwei Beispiele:

„Schließt man von den Meinungen einer Epoche die intelligenten aus, bleibt die ‚öffentliche Meinung‘.“

„Das Problem der Linken ist, dass sie die richtige Diagnose haben, aber keine Therapie.“

Das Problem ist: Mir geht es genauso. Auch ich fühle mich vollkommen im Recht und auf der richtigen Seite, aber reicht das aus? Ich stimme ein in den Chor, „Ekelhaft!“ etc. – und sehe dann ein Buch mit diesem Ideengut auf der Bestsellerliste steil in Richtung Spitze schießen.

Warum nutzen Trump und Rechtsradikale bei uns Erickson’sche Utilisationsprinzipien cleverer als wir? Müssen wir auf unserer Tagung eine Themenschiene „Rechthaben reicht nicht!?“ einziehen?

Matthias Ohler versucht schon seit Langem, mich zu motivieren, im Anschluss an meine Diplomarbeit als Wirtschaftsingenieur ein Essay zu schreiben, wie man das Utilisationsprinzip gesellschaftlich anwenden kann. Vielleicht nehme ich das zum Anlass und als Thema für meinen Hauptvortrag. Den Titel hätte ich schon: „Warum der chinesische Kaiser lachte“.

Wir diskutierten in den Vorbereitungstreffen auch, ob die Zeit nach der Pandemie und die ganzen politischen Geschehnisse zu einer Art Roaring-Twenties-Mentalität geführt haben. Diese „wilden Zwanziger Jahre“ nach dem ersten Weltkrieg waren geprägt vom Fokus auf Das-Leben-Genießen und der Abwendung gegenüber Krieg, Krise und Problemen.

Trotz weitgehender Einigkeit über die Wichtigkeit von Klimaschutz sind die Flughäfen voll wie nie, und Spanien hatte 2023 in Bezug auf Tourismus das absolute Rekordjahr aller Zeiten. Im Verlauf unserer Zoom-Diskussion hatte ich dann den provozierenden Einfall, meine Einladung zu dieser Tagung mit „Urlaub machen reicht nicht“ zu überschreiben.

Bei der Summe der weltweiten Probleme – von Ukraine, Gaza, China/Taiwan über Wirtschaft, Klima, Radikalisierung des gesellschaftlichen Klimas, Sektenmentalität und Verschwörungstheorien, etc., etc. – ertappe ich mich selbst bei der Neigung: Wenn ich die Augen zumache, dann sehen mich die Probleme auch nicht mehr.

Zu mir kommen aber KlientInnen mit genau diesen Problemen hinter ihren Anliegen. Sie kommen mit der Sorge um Angehörige, die sich politisch radikalisiert haben und über Gespräche kaum erreichbar sind. Sie kommen mit den Ängsten um die Zukunft ihrer Kinder und Enkelkinder. Wir als Fachleute sollen in der Lage sein, jenseits von politischer und religiöser Gesinnung helfen und beraten zu können. Und neuerdings bringen unsere KlientInnen, die Orientierung suchen, diese Themen aktiv in die Therapien und Coachings mit – und wir sind oft selbst gestresst und überfordert.

Wir wollen mit unserer Tagung auch Impulse in Richtung Orientierung und Zuversicht geben – gerade zu den Themen, die uns alle beschäftigen. Denkanstöße für eine handlungsaktive Neuorientierung sollen u. a. von den Hauptvorträgen kommen. Michael Bohne, Gunther Schmidt und Matthias Ohler hatten da großartige Ideen, und ich bin sehr gespannt auf diese Vorträge. Fast alle der Angefragten haben bereits zugesagt bzw. ihr Interesse signalisiert. Wie immer hatten wir ohnehin wieder mehr Ideen als Zeitfenster für Vorträge.

Zu neuen Handlungskompetenzen und frischem Handwerkszeug werden auch unsere vielen praxisorientierten Workshops motivieren und verhelfen. Sie werden wieder das ganze Spektrum innovativer Therapie- und Beratungsansätze anbieten.

Wir beginnen am Donnerstagvormittag und frühen -nachmittag mit insgesamt sechs hochkarätigen Vorträgen. Nachmittags starten dann die Workshops. An den Folgetagen gibt es jeweils noch einzelne Vorträge und viele weitere Workshops.

Wie schon bei der ersten Tagung wird das Thema Trauma wieder eine Rolle spielen. Damals wollten wir wissen, was, wie und warum  EMDR, PEP, EMI, Brainspotting etc. eigentlich wirken. So kamen wir auf das Motto „Reden reicht nicht!?“, und von da zu allem Weiteren, von Körperarbeit über therapeutisches Zaubern zu Musik und Tanzen.

Urlaub machen reicht nicht – aber ich schreibe diesen Brief nun doch selbst im Urlaub. Früher habe ich noch gewitzelt: Früh kaputt spart Altersheim, oder auch: Alt ist man, wenn man zum Erholen länger braucht als zum Müdewerden. Nun muss ich feststellen: Das stimmt. Den Januar und den Februar habe ich mir deshalb weitgehend zur Wiederaufbereitung freigehalten. Im Moment lebe ich also weniger die Roaring Twenties als die Snoring Twenties. Morgens gilt das Motto: Ich wollte, ich wäre ein Teppich, dann könnte ich liegenbleiben.    

Aber ich kann versichern: Sobald ich erholt bin, gilt das Motto: Und nun mit neuem Schwung der Arbeit aus dem Weg!

Ich freue mich schon auf Nr. 5 unserer Tagung, inklusive eines tollen Abendprogramms mit Tagungsfest, Tanzen, Konzerten, Kabarett, u. v. m.!

Bernhard Trenkle